Ausgangslage: Was kann die digitale Bildung für die Erwachsenenbildung bedeuten?

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Die Bedeutung der digitalen Bildung auch für die Erwachsenenbildung wird inzwischen in zahlreichen Publikationen anerkannt. Unter dem Link Thematische Leseempfehlungen können Sie auf korbiwiki einige dieser Texte abrufen. Die besagten Studien stellen z. B. heraus, dass die Digitalisierung zur Steigerung der Vielfalt in der Bildungslandschaft beiträgt und die bisherigen, herkömmlichen Rollenzuschreibungen in ihr verändert. Das klassische gedruckte „Lehrbuch“ oder das Skript zu einem Kurs sind nur noch zwei Möglichkeit der Lernunterstützung neben vielen anderen, innovativen Lernmedien. Zunehmend werden heute auch Lernformen und Methoden eingesetzt, die von Lernenden eine aktivere Rolle im Lernprozess verlangen. Die Lernenden sind also nicht mehr nur „passive“ Rezipienten, die „instruiert“ werden, sondern sie werden dazu ermutigt, sich ihr Wissen aktiv zu erarbeiten und zu konstruieren. Bildung wird damit eine wesentlich differenzierte, vielschichtigere Angelegenheit, wandelt sich von der klassischen Vermittlung in Form der „Einwegkommunikation“ zu einem multidimensionalen Prozess, dessen drei Hauptelemente – Menschen, Medien und Methoden – interdependent miteinander verbunden sind.

Im Folgenden wird ein Szenario dafür entworfen, wie der Alltag in der digitalen Bildung in absehbarer Zukunft aussehen könnte und welche Bedeutung dies für den Bereich der Erwachsenenbildung haben wird. Vieles aus der folgenden Geschichte ist aber auch schon heute Realität.

Familie Schmitt in der digitalen Bildungswelt

Darf ich vorstellen: Familie Schmitt aus München. Susanne Schmitt ist bei einem großen kirchlichen Träger der Erwachsenenbildung als Bildungsreferentin für den Themenbereich „Gesundheit und Spirituelles“ tätig. Ihr Mann, Franz Schmitt, arbeitet in einer Akademie für berufliche Fort- und Weiterbildung als Fachreferent für Globales Lernen. Sie haben zwei Kinder – Max, der noch die Schule besucht, und Lisa, die Politikwissenschaften studiert.

Bildungsreferentin und Fachreferent

 
Lernformen

Es ist Dienstagmorgen, und wie jeden Tag geht es auch bei Familie Schmitt am Frühstückstisch etwas hektisch zu, obwohl heute eigentlich gar nicht alle außer Haus gehen müssen. Frau Schmitt geht auf ihrem Tablet zwischen Tee und Müsli noch einmal die interaktive Animation durch, die sie in den letzten Tagen für ihren aktuellen Online-Kurs „Achtsamkeit - ist das heute noch ein Thema?“ erstellt hat und die sie am Vormittag im Netz freischalten will. Ob der Titel ihrer Veranstaltung gute Elemente des Clickbaits enthält?

 
Ausprägung der digitalen Bildung

Herr Schmitt passt auf seinem Notebook bei Kaffee und Brötchen schon mal mithilfe der Lernplanungssoftware die Arbeitspläne für sein aktuelles Seminar zum Thema „Nützliche Online-Tools für Multiplikatoren in der Aus- und Weiterbildung“ an. Für die Einleitungs-Sessions, so merkt er, benötigt er noch einige grundlegende Infos. Dafür setzt er nun einen Link zu den Themen „aktuelle Lernformen“ und „Ausprägung digitaler Bildung heute“, die sich im öffentlich nicht zugänglichen Bereich der Online-Lernplattform seines Intituts befinden. Um für alle Teilnehmer*innen des Seminars individualisierte Aufgabenhefte zu erstellen, bedient er sich aber oft auch frei zugänglicher, nicht lizenzierter Bildungsmaterialien (Open Educational Resources (OER)), die er auf den für seinen Fachbereich einschlägigen Open-Source-Bildungsplattform findet. Bei einem der Texte, die er daraus für sein Seminar verwendet, passt er noch schnell eine Angabe an und lädt das Material dann für seine Kursteilnehmer*innen hoch. „Wie schön, dass diese OER-Plattform, die er regelmäßig beutzt, inzwischen so benutzerfreundlich geworden ist!“, denkt er sich. Aber diese Bildungsplattform profitiert umgekehrt auch von ihm: Für sein Engagement bei der Erstellung und Verbesserung von Inhalten darauf hat ihm der Betreiber schon so viele Punkte gutgeschrieben, dass er sie für ein schönes Abendessen mit seiner Frau einsetzen kann.

Endlich kommt auch Max, noch ganz schlaftrunken, hereingeschlurft. Bevor er sich seinem Frühstück widmet, lässt er mürrisch sein Convertible in seine ansonsten leere Schultasche gleiten – es wird ihm den Schultag über als Schulbuch, Übungsheft und Notizbuch gleichermaßen dienen. Die 20-jährige Lisa ist dagegen um diese Tageszeit schon etwas fitter. Als Frühaufsteherin kommt sie ganz nach ihrer Mutter, während Max und Papa eher zu den „Eulen“ gehören. Auch Lisa absolviert auf ihrem Smartphone schon mal eine morgendliche Mini-Lektion aus dem Proseminar in Kommunalpolitik, das sie momentan belegt hat, und nippt dabei abwesend an ihrem Kakao.

Während sich die anderen drei nach dem Frühstück auf den Weg machen – Herr und Frau Schmitt haben heute einen ihrer beiden wöchentlichen Präsenztage, arbeiten aber ansonsten im Homeoffice, was sich insbesondere während der jüngst zurückliegenden Corona-Krise bestens bewährt hat –, vertieft sich Lisa weiter in ihre Lektion. Kommunalpolitik – dieses staubtrockene Themengebiet war früher überhaupt nicht ihr Ding, aber die kleinen Learning Nuggets des Kurses lassen sich bequem immer mal wieder in den Tagesablauf einbinden. Das direkte Feedback, das sie zu ihren Lernleistungen erhält, und der interaktive, zwanglos-heitere Wettstreit mit ihren Kommiliton*innen um die meisten Credit-Points motivieren sie zusätzlich. Mit diesen kleinen Gamification-Elementen macht ihr das Lernen sogar richtig Spaß. Und wer weiß, vielleicht hilft es ja auch bei ihrer Bewerbung um einen Praktikumsplatz in Buenos Aires.

Online-Kurs, Cloud, virtuelle Lerngruppe und MOOC

Jetzt wird es aber höchste Zeit für ihren Online-Kurs in Open Source Programming an der Online-School for Cloud Computing. Weil es nicht sicher ist, dass ihr die Credit Points aus diesem Kurs bei ihrem Studium anerkannt werden, wird es zwar eventuell ein bisschen kniffelig, aber immerhin muss sie den Kurs nicht an ihrer eigenen Hochschule besuchen. Lisa loggt sich in den virtuellen Hörsaal ein. Die Vorlesung läuft nicht viel anders ab als eine klassische Präsenzvorlesung – Lisa und die andere Teilnehmer*innen aus der ganzen Welt stellen dem Dozenten nach Ende der Vorlesung online ihre Fragen. Parallel dazu können sie miteinander chatten und sich real time miteinander austauschen. Danach schreibt Lisa im Wiki des Kommunalpolitik-Seminars noch etwas an dem gemeinsamen Projekt weiter, das ihre virtuelle Lerngruppe im Moment als kollektive Seminararbeit erstellt. Vorsichtshalber schaut sie noch einmal im Wiki und im Online-Forum des Seminars nach den Anforderungen und Bewertungskriterien. Dann speichert sie das gemeinsame Projekt wieder in dem Wiki ab und beginnt mit den Übungen des Massive Open Online Course (MOOC), eines frei zugänglichen Online-Kurses mit großer Teilnehmerzahl und ohne Zugangs- und Zulassungsbeschränkungen, den sie zusätzlich an einer US-amerikanischen Partner-Universität ihrer Hochschule belegt hat.

Das Virtual-Reality-Labor

An ihrem Arbeitsplatz im Erwachsenenbildungswerk angekommen, loggt sich Frau Schmitt in das Virtual-Reality-Labor ein, das sie sich für die heute anstehende Lerneinheit ihres Achtsamkeits-Kurses reserviert hat. Um den Kurs interessanter zu gestalten, sollen die Teilnehmenden in dem Virtual-Reality-Labor die Wirkung der von ihr angebotenen Meditationsübungen selbst erfahren können. Beim Einloggen erscheint ein dreidimensionales Abbild der Alpen in Bayern – so real, als wäre man tatsächlich dort. Und schon sind die ersten Kursteilnehmer*innen online und lassen während der Meditationsübungen die Stimmung der Berge zur Sommerzeit und mit der passenden meditativen Musik auf sich wirken: blauer Himmel, graue oder weiße Gipfel, Kreuze, Steine ... Zu gerne würde Frau Schmitt ja auch noch die Erweiterung laden, bei der die ruhige Stimmung eines Wanderers im Gipfelschnee nachvollziehbar wird. Aber diese Serious-Game-Funktion – also ein digitales Spiel, das jedoch nicht primär der Unterhaltung dient, sondern Lerninhalte vermittelt – kann sie unmöglich mit der online gestellten Modulbeschreibung dieser Lehreinheit in Einklang bringen. Und außerdem ist die Serverkapazität, die ihr zur Verfügung steht, begrenzt. Hier täte mal eine Aufrüstung not, denkt sie bei sich ...

Digitale Übungen, Learning Analytics und Lernfortschritte

Herr Schmitt indes widmet sich unterdessen in seinem Büro in der Akademie der Seminarnachbereitung. Er denkt daran, wie arbeitsintensiv früher das stundenlange Korrigieren der Seminararbeiten war. Seitdem seine Teilnehmer*innen den Großteil ihrer Übungen aber digital absolvieren, ist es viel einfacher für ihn geworden. Jetzt bekommt er die Ergebnisse mithilfe der Learning-Analytics-Software sofort mit einem Mausklick geliefert. Einige der neueren Tools bieten sogar die Möglichkeit, auch die Arbeitsweise zu analysieren, aber Herrn Schmitt geht das dann doch zu weit. Er will ja keine Verhaltenskontrolle seiner Schützlinge. Nur vereinzelt schaut er mal in den Auswertungen nach, welche Aufgabenteile besonders lange bearbeitet wurden, um dadurch mit dem einen oder der anderen Kursteilnehmer*in gezielter an einzelnen Kompetenzen arbeiten zu können, wenn dieser oder diese das wünscht.

Da klingelt es per Skype auf seinem Laptop. Am anderen Ende ist Lisa, völlig aufgelöst. Sie hat den ersehnten Praktikumsplatz nicht bekommen, aber nur, weil sie in ihrer Bewerbung die Auswertungsdaten ihrer Lernsoftware nicht preisgeben wollte. Der Erfassung dieser Daten hatte sie sich immer verweigert, denn das war ihr dann doch zu viel Kontrolle und Transparenz. Was zählt, sind doch die Ergebnisse, hatte sie sich immer gesagt ... Herr Müller ist außer sich. Er schlägt seiner Tochter vor, den Sachverhalt rechtlich klären zu lassen.

Tutorial, Smartphone und Fotos

Max musste währenddessen in der Schule in der Religionsstunde feststellen, dass ihm das Tutorial zum Thema „Firmung“, das er sich gestern Abend noch schnell angesehen hat, bei der mündlichen Abfrage auch nicht weitergeholfen hat. Vielleicht hätte er sich gestern doch eher ganz darauf konzentrieren sollen, anstatt gleichzeitig mit seinen Kumpels zu chatten. „Hinterher ist man immer schlauer“, denkt er sich. Gelangweilt spielt er nun mit seinem Smartphone. Seit der Präsenzunterricht im Rahmen des Blended-Learning-Konzepts immer mehr durch verschiedene digitale Elemente ergänzt wird, sind Smartphones in den meisten Schulen auch während des Unterrichts erlaubt. Er beginnt, heimlich Fotos von seinen Klassenkameraden zu machen und diejenigen Fotos, auf denen sie besonders ratlos aussehen, in einem der sozialen Netzwerke, in denen er angemeldet ist, zu posten. Das bleibt nicht lange unbemerkt, einige Mitschüler kichern. Die ersten beginnen, die Fotos online zu kommentieren. „Lasst den Quatsch! Ihr könnt eure Privatgespräche nach dem Unterricht fortsetzen!“, bringt ihn die Stimme des Lehrers wieder zurück in die Realität. Oje, erwischt! Max hatte ganz vergessen, dass mit dem wachsendem Anteil von Online-Unterricht nun leider auch die Lehrer*innen immer häufiger die Möglichkeit haben, sich nicht nur den Bildschirminhalt der schuleigenen Notebooks anzeigen zu lassen, sondern auch zu sehen, wann die Smartphones für andere als für schulische Zwecke genutzt werden.

Onlinequellen, Blended-Learning und 3D

Passend dazu steht nach der Pause Medienbildung auf dem Stundenplan. Für dieses Fach hat sich Max ganz bewusst entschieden. Ansonsten hätte er Informatik belegen müssen – aber das Programmieren liegt ihm einfach nicht. Als er das Medienlabor betritt, fällt ihm ein, dass er die Online-Materialien und -aufgaben zum heutigen Unterrichtsthema „Seriosität von Online-Quellen“ gestern zu Hause nicht bearbeitet hat. Aber Gott sei Dank loggt sich die Lehrerin heute gerade nicht auf seinem Notebook ein ... Endlich ist der Schultag zu Ende. Ein Erfolgserlebnis möchte Max aber heute doch noch haben. Er entschließt sich, mal wieder bei der Maker-AG vorbeizuschauen. Zusammen mit seinen Freunden versucht er dort schon seit Beginn des Schuljahres, ein Perpetuum mobile zu bauen. Auch wenn der Erfolg bisher ausgeblieben ist, hat er das Gefühl, beim Experimentieren viel zu lernen. Die Verbindung von Theorie, Designen und konkretem Tun hilft ihm beim Verständnis der physikalischen Vorgänge weit mehr als das Auswendiglernen irgendeiner spröden Formel. Und auch wenn das mit dem Perpetuum mobile nicht ganz klappt, für die eigene Energieversorgung ist gesorgt: Heute dürfen sie ihr aktuelles Modell im 3D-Lebensmittelprinter der Schule in Schokolade ausdrucken.

Streaming, Aufzeichnung oder Präsenz?

Unterdessen loggt sich Susanne Schmitt nach der Mittagspause bei der Podiumsdiskussion „Digitale Bildung 2040 – Mutig neue Wege gehen“ ein, ein Thema, das sie nicht zuletzt aus beruflichem Interesse verfolgen will. Die Diskussion findet in einer Münchner Denkfabrik statt, wird live gestreamt und auch aufgezeichnet, damit sie später im Online-Lernraum der Akademie on demand abgerufen werden kann. Frau Schmitt ist schon sehr gespannt, welche Zukunftsvisionen heute präsentiert werden.