Evangelium und Digitalisierung
Der Prozess der Digitalisierung<events keyword="Digitalisierung und Evangelium">Veranstaltungen zum Thema „Digitalisierung und Evangelium“</events> verändert nicht nur die gesamte Wirtschaft, Produktionsweise und Arbeitswelt. Untrennbar damit verbunden sind auch die dadurch hervorgerufenen Umbrüche in der Gesellschaft und im menschlichen Zusammenleben. Es ist jedoch von zentraler Bedeutung, dass diese tief greifenden Veränderungen hin zu einer digitalen und wissensbasierten Gesellschaft auch von Werten, Lebenseinstellungen und Umgangsformen getragen werden, die zu einem konstruktiven und fruchtbaren Miteinander der Menschen führen. Als Quelle für diese Werte beweist das Evangelium seine bleibende Aktualität.
Ethisch basiertes Wissensmanagement und Sozialverhalten als Wirtschaftsfaktor
Im Gegensatz zu früheren technischen Umbrüchen wird von der Digitalisierung nicht mehr allein der Bereich der materiellen Produktivität transformiert, sondern es erhält nun auch der Umgang mit Wissen eine immer größere Bedeutung für die Entwicklung des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wohlstands. Der Digitalisierungsprozess in der Ökonomie wird aber auch von mannigfachen Ängsten begleitet. Hierzu zählt vor allem die Furcht vor einem rapiden Abbau von Arbeitsplätzen und einer damit verbundenen hohen Arbeitslosigkeit. Es ist jedoch davon auszugehen, dass – wie bei früheren technischen Innovationen in der Geschichte, die ebenfalls starke sozioökonomische Veränderungen mit sich brachten – durch die digitale Revolution auch viele neue Arbeitsfelder und -plätze entstehen werden. Die Arbeit wird also nicht „weniger“, sie erhält lediglich eine andere Qualität, denn „Arbeit“ bedeutet ja letztlich nichts anderes als das Lösen von Problemen – und zu lösende Probleme wird es trotz aller Innovation immer geben.
Aufgrund der nicht zuletzt durch die Digitalisierung bedingten, nahezu exponentiellen Zunahme von Wissen und Informationen in unserer heutigen Welt wird es zunehmend wichtiger, dieses Wissen zu strukturieren, um es überhaupt nutzbar machen zu können. Daher wird vor allem der Sektor der Wissensarbeit und des Wissensmanagements zukünftig weiter an Bedeutung gewinnen. Da sich die Arbeit aber damit immer mehr vom materiellen in den immateriell-geistigen Bereich hineinverlagert und letzterer im Unterschied zu ersterem ja prinzipiell unbegrenzt ist, stellt sich auch die Frage nach den Grenzen des wirtschaftlichen Wachstums neu. Die steigende Komplexität und Menge von Wissen wird zudem die Spezialisierung von Fachkräften weiter vorantreiben, die in ihren je eigenen Fachgebieten über Expertenwissen verfügen. Dieser Prozess ist mit einer umfassenden Höherqualifizierung aller Arbeitskräfte verbunden, damit niemand den Anschluss an die Entwicklung verliert und der Nachschub an Fachkräften sichergestellt ist. Und weil das Fachwissen damit in der Wirtschafts- und Arbeitswelt der Zukunft eine zentralle Rolle einnehmen wird, wird es auch notwendig sein, dass die verschiedenen Wissensträger zusammenarbeiten und miteinander kooperieren können. Von daher entwickeln sich kooperativ orientierte Kompetenzen und die Fähigkeit zum Wissensmanagement zu grundlegenden Notwendigkeiten in der digitalisierten Wirtschaftswelt von morgen.
Sinnvolles, effektives Wissensmanagement und eine fruchtbare, gelingende Kooperation hängen aber nun ganz wesentlich vom Sozialverhalten und der Sozialkompetenz des Menschen ab. Dadurch wird seine Geisteshaltung zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor. Es reicht also nicht mehr aus, nur neue Techniken und Organisationsmuster einzuführen. Sie müssen immer auch von einer Weiterentwicklung des kommunikativen und sozialen Verhaltens begleitet werden. Kurz gesagt, geht es bei der Digitalisierung nicht mehr nur um die Technik, sondern vor allem auch um die Menschen hinter dieser Technik und um die Beziehungen zwischen diesen Menschnen. Ihr soziales Verhalten und ihr Umgang miteinander wird zu einem neuen Wirtschafts- und Standortfaktor. Weil das Sozialverhalten aber in hohem Maße durch kulturelle und religiöse Prägungen, Traditionen und Milieus bestimmt wird, kommt den jeweiligen Religionen und Kulturen eine wichtige Rolle dabei zu. Insbesondere die Werte des Evangeliums erweisen sich für diese Rolle als besonders tragfähig und aktuell.
Ein konkretes Beispiel hierfür ist die mit der Digitalisierung einhergehende Entwickung hin zu flexiblen und vor allem „flachen“ Hierarchien in der Arbeitswelt. Diese „Begegnung auf Augenhöhe“ ist notwendig, um die jeweiligen Träger von Fachwissen, wie oben beschrieben, effektiv miteinander koordinieren und damit zu einer sinnvollen Zusammenarbeit gelangen zu können. Durch die Flexibilisierung und Abflachung der Hierarchien wird in der Wirtschaft auch die Rolle des Vorgesetzten verändert. Da Wissen und Verantwortung nicht mehr nur ein Aspekt von Leitung und Führung sind, sondern auf allen Ebenen des Arbeitsprozesses und der Arbeitsorganisation gleichermaßen von Bedeutung sind, wird der Vorgesetzte immer mehr zu einem Koordinator und Moderator der jeweiligen Mitarbeiter, von denen jeder spezifisches Fachwissen besitzt. Und genau hierfür erweist sich das Evangelium als idealer Orientierungsrahmen, da darin das Wertesystem der heute notwendigen „dienenden Führungskultur“ grundgelegt ist.
Kirche und Digitalisierung
Da technische Innovationen die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Strukturen verändern, haben sie immer auch Auswirkungen auf die Kirche, die ja Teil der Gesellschaft ist. Das lässt sich bereits an vergangenen Entwicklungen feststellen, wie beispielsweise an der Industrialisierung in den Städten und der dadurch grundsätzlich veränderten Lebenssituation oder an der Steigerung der Mobilität durch das Aufkommen des modernen Massenverkehrs insbesondere in Form des Autos. All dies hat auch die Bedingungen für die bzw. den Charakter der Seelsorge verändert. Dasselbe gilt für den Prozess der Digitalisierung und seine Auswirkungen auf die Kirche und die kirchliche Seelsorgearbeit. Wie oben beschrieben, treten ja durch die Digitalisierung die Aspekte des Wissensmanagements bzw. der Wissensarbeit und der (gleichberechtigten) Kommunikation immer mehr in den Vordergrund – und genau hierfür bieten sich die Werte des Evangeliums als ethische Richtschnur in idealer Weise an. Die Kirche kann daher in den sozioökonomischen Prozessen, die mit der Digitalisierung einhergehen, als gestaltendes Element wirksam werden. Das Christentum wird dadurch zur Zukunftsreligion, da bei ihm niemand ausgeschlossen wird und es sowohl über rein individuelle als auch rein gruppenbezogene Denkmuster hinausweist.
Aber auch in der Kirche selbst ist das Prinzip der Kommunikation und Kooperation von entscheidender Bedeutung, da es allen ermöglicht, das einzubringen, was sie können, und ihre Fähigkeiten für die Gemeinschaft nutzbar zu machen. Dies zeigt z. B. auch Lösungsansätze für die Probleme auf, die sich durch den Priestermangel ergeben. Der Prozess der Digitalisierung in Wirtschaft, Gesellschaft, Politik und Kultur, der auch einer Neuorientierung an ethischen Grundsätzen und einer Begleitung durch diese Grundsätze bedarf, stellt für die Kirche somit eine Chance dar, das Evangelium mit seinen Werten neu zur Geltung zu bringen und seine bleibende Aktualität zu erweisen.
Literatur
- Händeler, Erik: Himmel 4.0. Wie die digitale Revolution zur Chance für das Evangelium wird, Moers 2017.
Links
- Bericht über einen Vortrag von Erik Händeler zum Thema „Christlicher Glaube im Zeitalter der Digitalisierung“ im „Kreisboten“ vom 29.3.2017.
- Burgarth, Hauke: Himmel 4.0. Warum die Wirtschaft das Evangelium braucht – eine Buchrezension. Rezension zu Erik Händelers Buch „Himmel 4.0“, auf: „jesus.ch“ vom 10.2.2018.
- Händeler, Erik: Himmel 4.0. Eine begründete Hoffnung auf das Evangelium in der digitalen Wissensgesellschaft. Grundlagentext zum 89. KKV-Bundesverbandstag vom 26.–28.5.2017 zum Thema „Mensch bleiben in der Arbeitswelt“.
- Derselbe: Wie uns trotz Digitalisierung niemals die Arbeit ausgeht. Vortrag bei der 4. Münchener Rednernacht der GEDANKENtanken GmbH am 22.10.2017, auf: YouTube-Channel „GEDANKENtanken“.
Aktuelle Literaturempfehlungen
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