Hoffnungen und Befürchtungen in Bezug auf digitale Bildung
Mit dem Einzug digitaler Tools und Methoden in den Bildungsbereich sind vielfach Hoffnungen, aber auch Befürchtungen verbunden. Im Folgenden wird ein Szenario entworfen, das zeigt, wie die Integration digitaler Bildungsstrategien in den laufenden Bildungsbetrieb bzw. eine Umstellung auf digitale Bildung in der Praxis aussehen könnte.
Wir begleiten dabei den fiktiven Fachreferenten für Theologische Bildung, Simon Müller, der zum Thema „Spiritualität“ einen Lernraum erstellen möchte. Auf diese Weise erhofft er sich, mehr Menschen erreichen und für das Thema motivieren zu können.<events keyword="digitale Bildung">Veranstaltungen zum Thema „digitale Bildung“</events>
Ein Vorteil digitaler Lernmethoden: Selbstbestimmtes Lernen
Durch die Einrichtung eines digitalen Lernraums könnte Herr Müller, der als Theologischer Fachreferent in Frühlingstal tätig ist, zahlenmäßig mehr Interessent*innen ansprechen, als dies bei einer Präsenzveranstaltung möglich wäre. Außerdem würde dadurch, so überlegt er, für die Nutzer*innen der Lernplattform die Möglichkeit geschaffen, bequem von zu Hause aus zu lernen und sich die Lerneinheiten nach Uhrzeit, Dauer und Menge des Lernstoffs so einzuteilen, wie es für sie am besten in ihren Alltag und in ihre jeweiligen Lerngewohnheiten zu integrieren ist. Auch diese Flexibilität und Individualisierbarkeit der digitalen Lernmethode scheint Herrn Müller ein gewichtiges Argument für den digitalen Lernraum zu sein.
Wie steht es um Sicherheit und Datenschutz?
Bevor sich Herr Müller aber näher damit beschäftigt, wie ein solcher Lernraum erstellt wird, versucht er, sich etwas eingehender zum Thema „digitale Bildungskonzepte“ zu informieren. Schon zu Beginn dieser Recherche stößt er jedoch auch auf kritische Stimmen: So sei es zur Ermöglichung des individuellen und flexiblen Lernprozesses notwendig, automatisiert hohe Datenmengen zu erheben. Solange diese nur für digitale Bildungszwecke Verwendung fänden, sei dies zwar unbedenklich, dennoch könne nicht völlig ausgeschlossen werden, dass diese Daten ebenso zu Zwecken der Überwachung genutzt werden könnten!
Und was wird im digitalen Bereich aus dem sozialen Lernen?
Damit nicht genug: Simon Müller erfährt auch, dass durch die rein digitale Vermittlung von zwischenmenschlichen Interaktionen die Gefahr bestehe, dass das soziale Lernen beeinträchtigt werden und akzeptierte Verhaltenskodizes ausgehöhlt werden könnten.
Von dieser unerwarteten Problematik in seiner anfänglichen Euphorie etwas ausgebremst, lehnt sich Herr Müller zunächst mal etwas zurück, um sein Vorhaben erneut zur überdenken.
Wenngleich er die beiden zuletzt genannten Kritikpunkte auch nicht ganz von der Hand weisen kann, so wiegen sie doch die Vorteile des digitalen Lernens, die er sich erhofft, nicht auf. Sicherlich, so überlegt er, digitale Lernmethoden führen über kurz oder lang zu veränderten Umgangsformen und einem anderen sozialen Lernverhalten. Dies muss jedoch nicht heißen, dass soziales Lernen im digitalen Bereich per se unmöglich wird. Vielmehr würde sich nur die Art des sozialen Lernens verändern. Und eine solche Veränderung könnte ja durchaus auch neue Möglichkeiten eröffnen und positives Potenzial entfalten. Die digital neu eröffneten Freiräume für menschliches Interagieren und Kooperieren ermöglichen doch, überlegt Herr Müller, im digitalen Raum sicherlich auch – wenn auch auf andere Weise – ein fruchtbares soziales Lernen, bis hin zu einem digital ermöglichten Nachempfinden anderer Lebenssituationen. Je länger er darüber nachdenkt, desto mehr ist er von dieser Perspektive begeistert.
Freie Bildungsmaterialien und Open Access
Mit dieser wiedergewonnenen Zuversicht und ungebrochenem Tatendrang stürzt sich Herr Müller nun erneut in die vielschichtige Thematik des digitalen Lernens. Doch die nächsten Fragen lassen nicht lange auf sich warten:
Gerade was die Sicherheit und den Datenschutz anbelangt, werden doch häufig auch Bedenken angemeldet. Herr Müller ist sich der Problematik durchaus bewusst: Die Offenlegung von Daten im Internet kann zu „gläsernen“ Lernenden und Lehrenden führen. Auf der anderen Seite ist jedoch auch zu bedenken, dass durch die digitale Verarbeitung der Daten auch ein transparentes und leistungsgerechtes Benotungssystem möglich wird. Zwischen diesen beiden Polen gilt es abzuwägen und da sich Herr Müller noch nicht sicher ist, zu welcher Meinung er mehr tendiert, schiebt er diese Frage vorerst mal beiseite.
Absolut fasziniert ist er jedenfalls von den vielfältigen Möglichkeiten, freie und individualisierbare Lehr- und Lernmaterialien im Netz anzulegen und zur Verfügung zu stellen. Diese freien Bildungsmaterialien sind seiner Meinung nach eine vielversprechende und innovative Lernmöglichkeit, die den Lernenden ein selbstständiges und aktives Lernen ermöglicht.
Beim Gedanken an seine eigenen Kinder wird Herr Müller jedoch schnell wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt: Freies und selbstständiges Lernen wäre bei ihnen – zumindest in gewissen Altersstufen – undenkbar gewesen. Denn auch wenn sich sein zukünftiger digitaler Lernraum vor allem an Erwachsene richten soll, so wird er doch den Gedanken nicht los, dass es viele Menschen geben könnte, die gerade an einer solchen auf Selbstständigkeit ausgerichteten Lernmethode scheitern könnten.
Es wird ihm zudem bewusst, dass die Eigenerstellung der für seinen Lernraum notwendigen Bildungsmaterialien ein aufwändiger und zeitintensiver Prozess sein wird, ganz zu schweigen von den Qualitätsschwankungen beim bereits im Netz vorhandenen Lernmaterial! Für seinen Lernraum will Herr Müller daher auf eine Kombination aus selbstständig erstellten Lerninhalten und bereits etablierten und gängigen Lernmaterialien zurückgreifen. Auf diese Weise ist für jede und jeden etwas Passendes dabei, überlegt er.
Wie sieht es mit den Ressourcen aus?
Herr Müller kann sich noch sehr gut an die Zeiten erinnern, in denen solche digitalen Bildungsangebote noch als Zukunftsmusik galten und in weiter Ferne zu liegen schienen. Damals wurde noch alles analog und auf die herkömmliche Art und Weise gemacht. Doch inzwischen sind die digitalen Angebote aus dem Bildungsbereich nicht mehr wegzudenken, ja, mehr noch: Sie werden immer mehr zum eigentlichen Kern der Bildungsangebote. Langfristig stellt das sicherlich eine effiziente Lösung dar, sagt sich Herr Müller, und wenngleich die Umstellung auf digitale Bildungsprozesse kosten- und zeitintensiv ist, so lohnt sie sich doch in jedem Fall.
Thema „Chancengleichheit“
Aber noch ist der Prozess hin zum digitalen Lernen bei Weitem nicht abgeschlossen und viele Menschen ziehen nach wie vor analoges Material vor. Das nimmt Herr Müller auch in seinem persönlichen Umfeld so wahr. So verweigert sich z. B. auch sein Bruder Horst immer noch der Nutzung zahlreicher Dienste, die durch die Digitalisierung ermöglicht werden. Er begründet dies dann ihm gegenüber oft mit den „digitalen Gräben“, die durch die Unterschiede hinsichtlich der Zugangsmöglichkeiten zu bzw. der Qualität der digitalen Materialien entstehen würden. Herr Müller selbst kann diese kritische Haltung sehr gut nachvollziehen, sieht die Lösung bei dieser Problematik aber nicht in einer Verweigerung – wie bei seinem Bruder –, sondern eher in einer Ausweitung der Nutzungsmöglichkeiten und der Weiterentwicklung digitaler Lernmethoden. Auf diese Weise ließe sich – gerade im Gegenteil – doch die Teilhabe und Chancengleichheit erhöhen.
Die Lerngestalterqualifizierung: Vermittlung von Kompetenzen zur Erstellung eines digitalen Lernraums
Nachdem er sich von derartigen Gedanken gelöst hat, überlegt sich Herr Müller nun ganz konkret, wer ihm die Kompetenzen zur Erstellung eines digitalen Lernraums vermitteln könnte. Beim Surfen auf korbwiki, der digitalen Bildungs- und Wissensplattform der Erzdiözese München und Freising, entdeckt er, dass das Bistum neuerdings eine Lerngestalterqualifizierung anbietet, die Kursleiter*innen, Gruppenverantwortliche, Bildungstechnolog*innen, Referent*innen, Tutor*innen und pädagogische Fachkräfte zur Nutzung von Lernplattformen im Internet befähigt. Begeistert von dem Angebot, meldet er sich kurzerhand für den Kurs an und ist schon ganz gespannt, was ihn dabei alles erwarten wird ...
Aktuelle Literaturempfehlungen
Literatur zum Thema „E-Learning“ finden Sie unter diesem Begriff im Online-Shop des Sankt Michaelsbundes.