Leitlinien Gesundheitsbildung

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Leitlinien der KEB e.V.

Die KEB München und Freising e.V. verankerte 2013 den Bereich Gesundheitsbildung in ihren Leitlinien Katholische Erwachsenenbildung in der Erzdiözese München und Freising. Im Folgenden finden Sie einen Auszug aus diesen Leitlinien, der sich mit dem Thema „Gesundheitsbildung“ beschäftigt:

1. Der Ausgangspunkt: das christliche Menschenbild

Siehe unter „Standards Theologische Erwachsenenbildung“ (S. 155f.) und vgl. den Beitrag Prof. P. Dr. Oster (S. 135ff.).

2. Gesundheit, Krankheit, Heil sein – aus christlicher Sicht

Heil und Heilung – gesund sein und gesund werden – sind urreligiöse Begriffe und Ur-Sehnsüchte der Menschen. Jeder Mensch hat die Sehnsucht, glücklich zu leben, sich ganzheitlich – körperlich, geistig, seelisch – entfalten zu können. Und viele Menschen machen die Erfahrung, dass das im Leben manchmal nur ansatzweise erfahrbar ist, dass Krankheit, Krisen, Schicksale sich unserer bemächtigen. Die Integration dieser Erfahrung in unseren Lebensweg kann schon ein Schritt zur „Heilung“ sein. Im christlichen Verständnis kann Heil nicht durch Menschen gemacht werden, sondern immer durch Gottes Handeln („Heil ist die Tat Gottes“). Das Heil ist gegenwärtig, nicht nur spirituell, sondern immer im Sozialen verflochten. Am Beispiel Jesu, der wahrer Mensch und wahrer Gott ist, erleben wir, damals wie heute, was es heißt, „heilsam“ für sich und andere zu sein. Die Heilung eines Blinden und der Streit der Juden (Joh 9,1–42) zeigt am Modell Jesu, dass es bei Gott keinen Zusammenhang zwischen Sünde und Krankheit gibt. Die Wertschätzung, Akzeptanz und Würde der Menschen knüpft Gott nicht an ihre körperliche, geistige, seelische Gesundheit. Krankheit ist eine der Lebenswirklichkeiten der Menschen. Menschen aus damit verbundener Isolation und Hoffnungslosigkeit - körperlich, geistig, seelisch – herauszuholen, ist ein Aspekt des christlichen Verständnisses von Heilung. Gesundheit ist Gabe und Aufgabe. Glaube, Hoffnung, Liebe sind Orientierung für unser Handeln (vgl. Hagen, Thomas: Zum Verständnis von Gesundheit – Krankheit – Heil sein aus christlicher Sicht, Vortrag Pädagogisches Forum der KEB, Januar 2008).

Das Modell der Salutogenese von Aaron Antonovsky

Der israelische Gesundheitsforscher Aaron Antonovsky hat ein Denkmodell entwickelt, wie Menschen sich gesund erhalten können. Den Namen des Modells „Salutogenese“ hat er vom lateinischen griff „saluto“=„Gesundheit“ abgeleitet und mit dem Modell eine Alternative geschaffen zur Pathogenese = Entstehung von Krankheit. Es wird nicht gefragt: „Was macht krank?“, sondern: „Wie schaffen es Menschen, gesund zu bleiben, trotz unterschiedlicher gesundheitlicher Belastungen?“. Von besonderer gesundheitsförderlicher Bedeutung sind nach Antonovsky die Ressourcen – körperliche, seelische, psychische, soziale und materielle –, die eine Person mobilisieren kann, um mit ihren Lebensumständen zurechtzukommen. Können Menschen, auch wenn sie widrigen, belastenden und widersprüchlichen Alltagserfahrungen ausgesetzt sind, produktiv mit der Situation umgehen und haben sie das Gefühl „GestalterInnen ihres Lebens“ zu sein, dann haben sie gute Voraussetzungen dafür, gesund zu bleiben. Im Zentrum von Antonovskys Modell steht der Kohärenzsinn. Er zeigt auf, dass alle mobilisierbaren Ressourcen in ihrer Wirksamkeit letztlich von einer zentralen subjektiven Kompetenz abhängen: Dem „Gefühl von Kohärenz“. Er definiert dieses Gefühl so: „Das Gefühl der Kohärenz, des inneren Zusammenhangs, ist eine globale Orientierung, die ausdrückt, inwieweit jemand ein sich auf alle Lebensbereiche erstreckendes, überdauerndes und doch dynamisches Vertrauen hat,

  • dass die Anforderungen des Lebens es wert sind, sich dafür anzustrengen und zu engagieren (Sinnebene);
  • dass die notwendigen Ressourcen verfügbar sind, die man dazu braucht, um den gestellten Anforderungen gerecht zu werden (Bewältigungsebene) und
  • dass die Ereignisse der inneren und äußeren Umwelt strukturiert, vorhersehbar und erklärbar sind (Verstehensebene).“

Antonovsky sieht das Leben als Fluss, als Strom des Lebens („Flussmetapher“). Menschen schwimmen in diesem Fluss voller Gefahren. Bildlich gesprochen versucht die pathogenetische Medizin, den Ertrinkenden aus dem Fluss zu retten. Salutogenese überlegt dagegen, wie man die Menschen zu guten Schwimmern in diesem Strom des Lebens machen kann. Die individuelle Fähigkeit jedes Menschen zu „schwimmen“ entspricht seinen Persönlichkeitseigenschaften.

Die Ottawa-Charta (1986) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als Leitlinie für die Gesundheitsbildung in der Katholischen Erwachsenenbildung

Das Modell der Salutogenese findet sich in der Ottawa-Charta der WHO: Umfragen zufolge betrachten die meisten Menschen Gesundheit als ihr höchstes Gut. Gesundheit basiert nur zum Teil auf der genetischen Ausstattung des Einzelnen oder auf den großen therapeutischen Möglichkeiten der modernen Medizin. Sie ist vielmehr auch ein Ausdruck gelingenden Lebens, basierend auf den Lebenskompetenzen jedes Einzelnen. Wir müssen lernen, Gesundheit nicht als einen Zustand der Abwesenheit von Krankheit zu definieren, sondern als einen eigenständigen Prozess der Lebensbewältigung, in dem es um Lebenssinn, soziale Verortung und Ressourcen geht: Es gilt, die Ressourcen im individuellen Bereich jedes einzelnen Menschen zu entdecken und zu fördern und darüber hinaus Ressourcen im sozialen Umfeld, in der Familie, in freundschaftlichen Beziehungen sowie in sozialen Netzwerken zu schaffen und zu pflegen. In ihrer Ottawa-Charta von 1986 formuliert die Weltgesundheitsorganisation dazu Folgendes: „Gesundheit wird von Menschen in ihrer alltäglichen Umwelt geschaffen und gelebt: dort, wo sie spielen, lernen, arbeiten und lieben. Gesundheit entsteht dadurch, dass man sich um sich selbst und für andere sorgt, dass man in die Lage versetzt ist, selbst Entscheidungen zu fällen und eine Kontrolle über die eigenen Lebensumstände auszuüben, sowie dadurch, dass die Gesellschaft, in der man lebt, Bedingungen herstellt, die allen ihren Bürgern Gesundheit ermöglichen.“ Diese Präambel fokussiert bewusst das alltägliche Leben der Menschen, benennt die Selbstsorge und die Sorge für andere als entscheidende Faktoren für die Gesundheit. Daneben lassen sich aus der Aufzählung „wo sie spielen, lernen, arbeiten und lieben“ die wesentlichen Phasen eines Menschenlebens ableiten, nämlich:

  • Kindheit (spielen),
  • Jugendzeit (spielen und lernen),
  • Erwachsenwerden, Erwachsensein, eine Familie gründen (arbeiten und lieben),
  • Alter (lieben).

In jeder dieser Phasen „geschieht Gesundheit“ und werden Weichen für die körperliche und seelische Gesundheit der nachfolgenden Lebensabschnitte gestellt: Kindheit und Jugendzeit als die prägende Phase in der Familie durch die Eltern und ErzieherInnen mit ihrer Vorbildfunktion. In der Zeit des Erwachsenwerdens und des Erwachsenseins der eigenverantwortliche Umgang mit dem eigenen Körper, der Umgang mit Arbeit und freier Zeit, mit Anspannung und Entspannung, der Aufbau von tragenden sozialen Beziehungen. Das Alter als Ausstieg aus dem Berufsleben und dem Entdecken anderer sinnvoller Herausforderungen.

Vgl. Keupp, Heiner: Gesundheit ist mehr! Erwachsenenbildung zwischen Wellness und Lebenssinn, Vortrag bei der Erwachsenenpädagogischen Werktagung November 2003; Hagen, Thomas: Zum Verständnis von Gesundheit – Krankheit – Heil sein aus christlicher Sicht, Vortrag beim Pädagogisches Forum der KEB, Januar 2008; Emnid-Umfrage in Deutschland, 2007, 1001 Personen ab 14 Jahren. Auf die Frage nach dem größten Weihnachtswunsch, antworteten 34%, dass sie nichts mehr möchten, als sich bester Gesundheit zu erfreuen.

3. Leitbild der KEB

In ihrem Leitbild beschreibt die KEB Zielsetzungen ihrer inhaltlichen Arbeit in sechs Themenbereichen: persönliche Entwicklung; partnerschaftliches Miteinander in allen Lebensbereichen; Glaube/Kirche/Theologie; Schöpfungsspiritualität; kulturelles, soziales, politisches Engagement; Arbeitswelt. Darüber hinaus enthält das Leitbild auch Beschreibungen des KEB-Selbstverständnisses in Bezug auf Zusammenarbeit, Mitteleinsatz, Qualität der Arbeit, Marketing, Kompetenz der MitarbeiterInnen. Im gesamten Leitbild wird eine Sicht auf das Leben beschrieben, die ähnlich wert- und sinnorientiert, selbst- und sozialverantwortlich ist, wie sie das christliche Menschenbild, der Ansatz der Salutogenese und das Gesundheitsverständnis der WHO nahelegen. Aus den beschriebenen Zugängen zu einem KEB-Verständnis von Gesundheitsbildung ergeben sich folgende Anforderungen im didaktischen Bereich:

4. Qualitätskriterien für Gesundheitsbildungsangebote in katholischer Trägerschaft

  • Entsprechend unserem Grundverständnis von Gesundheitsbildung sprechen unsere Angebote Körper, Geist und Seele an, in der speziellen Verschränkung von Sinn- und Sachebene, mit dem Blick auf Selbstverantwortung und soziale Verantwortung.
  • Wir arbeiten mit ReferentInnen, die entsprechende fachliche Qualifikationen vorweisen, das KEB-Verständnis von Gesundheitsbildung teilen und kommunizieren können und die allgemeinen didaktischen Anforderungen an ReferentInnen in den jeweiligen Bildungswerken umsetzen, wie z.B. die Nutzung der Erfahrungen der TeilnehmerInnen, die Förderung der Kontakte in der Gruppe und den Blick auf die Transfermöglichkeiten in den Alltag der Teilnehmenden.
  • Die katholische Trägerschaft des Angebots ermöglicht die Unabhängigkeit von einseitigen wirtschaftlichen Interessen. Wir positionieren uns als unabhängige, wertorientierte Plattform für Gesundheitsfragen.
  • Über die klassischen Angebotsformen im Bewegungs-, Entspannungs-, Ernährungsbereich hinaus fördern wir die Kompetenzen für ein gesundes Leben in anderen Angebotsbereichen, wie Persönlichkeitsbildung, Familienbildung, Seniorenbildung, gesellschaftspolitische Bildung, theologische Bildung und in der MultiplikatorInnen-Bildung verschiedener Themenbereiche.
  • Neben in sich geschlossenen Kursangeboten fördern wir die Einübung einer gesunden Lebensgestaltung in offenen Angeboten, die fortlaufend

stattfinden.

  • Die Umsetzung unserer Qualitätsansprüche überprüfen wir entsprechend unserem Evaluationsverständnis, wie bei allen unseren Angeboten.

5. Zielgruppen

Der Ansatz der Gesundheitsbildung in der KEB beinhaltet ein umfassendes Verständnis von Gesundheit, das den Lebensalltag der Menschen auf körperlicher, geistiger, seelischer und sozialer Ebene betrifft. Entsprechend vielfältig und je nach Lebensphase, Lebenssituation und Beeinträchtigung unterschiedlich, werden z. B. als Zielgruppen angesprochen:

  • Menschen mit Bewegungsmangel
  • Menschen mit unzureichenden Stressbewältigungskompetenzen
  • Menschen auf der Suche nach Kontemplation, Sinn, Glaubensorientierung, Spiritualität
  • Menschen, die nach Kenntnissen und Fähigkeiten suchen, ihr eigenes Leben selbstständig und selbstbewusst zu gestalten
  • Eltern (von der Geburtsvorbereitung über das Elternwerden zu den Erziehungsaufgaben, gesunder Ernährung, Konfliktbewältigung ...)
  • Menschen in der nachberuflichen Phase (Bewegung, Gedächtnistraining, Weiterbildung, ehrenamtliches Engagement, lebenswert® ...)
  • Frauen/Männer in verschiedenen Lebensphasen
  • MultiplikatorInnen in Gesundheitsbildung, Theologie, Eltern- und Seniorenbildung, Frauenbildung ...
  • Menschen auf der Suche nach gesundheitsfördernden Ansätzen in ihren beruflichen Bezügen, z. B. auch in den eigenen Einrichtungen

6. Qualifikationsprofil der Referentinnen und Referenten

Für ReferentInnen in der Gesundheitsbildung gelten die allgemeinen Anforderungen an ReferentInnen der einzelnen Bildungswerke (siehe jeweiliger QES.T-Ordner, Referentenleitfaden), wie z. B. Kenntnis des Qualitätsverständnisses und des Verständnisses von Erwachsenenbildung in der Einrichtung (z. B. ganzheitlich, Einbeziehung von TeilnehmerInnen-Erfahrungen, Prozessorientierung, Methodenvielfalt, Begegnungsaspekt, christliches Menschenbild, Evaluation), fachliche Kompetenz und Erfahrungen in der pädagogischen Arbeit. Entsprechend den Besonderheiten im Bereich der Gesundheitsbildung wird im Qualifikationsprofil der ReferentInnen besonderer Wert gelegt auf:

  • die Grundeinstellung der ReferentInnen zu Gesundheit (Salutogenese statt Pathogenese);
  • die Kenntnis der KEB-Standards zur Gesundheitsbildung und die Fähigkeit, diese in den Gruppen zu kommunizieren;
  • die Fähigkeit, ggf. Bildungsarbeit von Therapiearbeit abzugrenzen und dies in und mit der Gruppe zu kommunizieren und sensibel die Situation der einzelnen TeilnehmerInnen aufzunehmen;
  • eine didaktische Grundhaltung, die darauf ausgerichtet ist: die Kommunikation und Kontakte in der Gruppe durch geeignete Gesprächs- und Übungsimpulse zu fördern; das Übungsangebot so zu planen, dass Übungen auch in den Alltag der Teilnehmenden integriert werden können und dass damit eine Veränderung von Lebensgewohnheiten unterstützt wird; den Übungsraum so zu gestalten (Übungsgegenstände, Stille, Licht), dass eine ansprechende Atmosphäre entsteht;
  • Teilnahme an anerkannter Aus- bzw. Weiterbildung im angebotenen Arbeitsfeld;
  • ggf. Ausbildungsqualifikationen, die sich an den Richtlinien der Krankenkassen orientieren;
  • die besondere Beachtung der Versicherungs- und Haftpflichtbedingungen, besonders im Blick auf einen Haftungsausschluss der Teilnehmenden, ggf. Absicherung durch ein ärztliches Attest, je nach Angebot.

7. Kooperationspartner

Im Sinne unseres Selbstverständnisses als wertorientierte, unabhängige Plattform für Gesundheitsfragen gehen wir themenorientierte und strategische Kooperationen mit Institutionen und Personen ein, die unser Verständnis von Gesundheitsbildung teilen, unterstützen und ergänzen, wie z. B. mit

  • Krankenkassen,
  • Gesundheitsämtern,
  • Beratungsstellen,
  • Sportvereinen,
  • Schulen,
  • Kindertagesstätten,
  • Klöstern,
  • ÄrztInnen, HeilpraktikerInnen,
  • Kliniken, physiotherapeutischen Praxen,
  • Hebammen,
  • ÖkotrophologInnen, GesundheitsberaterInnen,
  • betrieblichen Gesundheitsangeboten,
  • Selbsthilfegruppen
  • und anderen.

8. Rahmenbedingungen

Die Rahmenbedingungen der Angebote in der Gesundheitsbildung richten sich nach den allgemein gültigen der Kreisbildungswerke. Besonderheiten im Bereich der Gesundheitsbildung ergeben sich in folgenden Bereichen:

Finanzen

  • Hier empfiehlt sich die Beachtung von Zuschusskriterien der Krankenkassen.
  • Eine Mischfinanzierung der Kurse, die für Krankenkassen förderungsfähig sind, mit solchen, die im alternativmedizinischen Bereich angesiedelt sind.

Veranstaltungsorte

Die Qualität der Veranstaltungen wird im Bereich der Gesundheitsbildung besonders von der Qualität des Übungsraumes mitbestimmt, der zweckmäßig, ansprechend, wohl temperiert, hell und ruhig sein sollte. Auch hier sind Kooperationen mit Institutionen, die über solche Räume verfügen, sinnvoll.

Angebotsformen

Gerade im Bereich der Gesundheitsbildung entsteht Erfolg durch kontinuierliches Training von neuen oder veränderten Verhaltensweisen. So macht es Sinn, dass neben geschlossenen Kursangeboten kontinuierlich offene Übungseinheiten angeboten werden.