Pilgern
Pilgern<events keyword="Pilgern">Veranstaltungen zum Thema „Pilgern“</events> bezeichnet eine zumeist religiös motivierte Reise zu einem als heilig geltenden Ort, einem Wallfahrtsort. In diesem Sinn wird der Begriff „Pilgern“ synonym zum Begriff „Wallfahren“ verwendet. Bereits in vorchristlicher Zeit waren Pilgerreisen Bestandteil des religiösen Vollzugs. Neben der alten und reich ausgeprägten Pilgertradition des Christentums spielt das Pilgern auch in anderen Religionen, wie dem Judentum, Islam, Buddhismus oder Hinduismus, eine große Rolle.
Die Gründe für Pilgerreisen und Wallfahrten sind vielfältig. Sie können sowohl Dank als auch Bitte und Buße umfassen. Im wiederauflebenden Pilgerbetrieb der letzten Jahrzehnte treten, unter Herauslösung des Pilgerns aus dem kirchlich-theologischen Kontext, auch touristisch-sportliche sowie esoterische, mythische und teils sogar magische Motive auf.
Pilgerorte und Pilgereisen können eine sozial integrative Kraft entfalten. Dies ist insbesondere bei sogenannten Nationalheiligtümern der Fall. Diese Funktion des Pilgerns kommt auch bei nationen- und grenzübergreifenden Pilgerorten zum Tragen, die über die Landesgrenzen hinweg eine religiöse Identität stiften. Vermittelnd und verbindend wirken sich im christlichen Kontext auch die ökumenischen Wallfahrten aus. Im Blick auf die protestantischen Glaubensgemeinschaften scheint der trennende Charakter des Pilgerns, der sich seit der Reformation herausbildet hatte, zunehmend überwunden.
Wortbedeutung
Im Wort „Pilgern“ steckt das lateinische Wort „peregrinus“ (oder peregrinari, dt.: „in der Fremde sein“). Als „Pilgersmann“ wurde jemand bezeichnet, der sich alleine auf den Weg machte. Im Kirchenlatein wird mit „peregrinus“ eine Person umschrieben, die aus religiösen Gründen in die Fremde geht und zumeist eine Wallfahrt zu einem Pilgerort unternimmt, zu Fuß oder auch unter Verwendung eines Transportmittels. Als „peregrinari“ wurden ab dem 13. Jahrhundert zunächst die Wallfahrer nach Santiago de Compostela bezeichnet. Im ausgehenden Mittelalter setzte sich der Begriff jedoch zunehmend als allgemeine Bezeichnung für alle Wallfahrer durch. Im Gegensatz zu dem Terminus „Wallfahren“, der eine spezifische Reise zu einem Heiligtum bezeichnet, kann der Begriff „Pilgern“ auf das ganze Leben, im Sinne einer Lebenshaltung, angewandt werden.
Die Geschichte des Pilgerns
Pilgern in der Bibel
Pilgerfahrten stellten bereits in der Bibel, und dort auch schon im Alten Testament, einen wichtigen Aspekt des Glaubensvollzugs dar. So kann bereits die Reise Abrahams, die er auf Geheiß Gottes auf sich nahm, als Pilgerreise interpretiert werden. Später etablierte sich als zentraler Ort der jüdischen Wallfahrten der Tempel in Jerusalem, zu dem seit der Frühzeit drei Pilgerreisen im Jahr vorgeschrieben waren. Auch Jesus selbst wird im Neuen Testament als Teilnehmer an den Wallfahrten nach Jerusalem geschildert.
Pilgern im Mittelalter
Als Pilgerziele galten im Mittelalter vor allem Jerusalem, Rom und Santiago de Compostela. Ein Ersatz für eine dieser großen Pilgerreisen konnte eine Wallfahrt in einem lokaleren Rahmen sein, wie z. B. die Wallfahrt zum Nidarosdom in Trondheim. Das Pilgern war im Mittelalter ein ständeübergreifendes Phänomen, das es jedem – gleich welchen Standes – ermöglichte, eine Pilgerreise anzutreten.
Von großer Bedeutung war, seit der Kreuzauffindung durch die heilige Kaiserin Helena, vor allem die Pilgerreise ins Heilige Land, die in einem Besuch der heiligen Stätten ihren Ausdruck fand. Die Kreuzfahrer, die im Mittelalter zur Eroberung Palästinas auszogen, empfanden ihre Reise auch als Pilgerreise. Nach dem endgültigen Untergang der Kreuzfahrerstaaten und während der darauffolgenden Herrschaft des Osmanischen Reichs über Palästina nahm das Pilgern nach Jerusalem ab. Ein Hauptteil der Jerusalempilger wich in die entgegengesetzte Richtung, nach Santiago de Compostela, aus. So wurde das Grab des hl. Jakobus in Santiago zu einem der bedeutendsten Pilgerziele Europas.
Im späteren Mittelalter entwickelten sich sogenannte Transitheiligtümer, wie z. B. Kloster Einsiedeln, zunehmend zu eigenständigen Wallfahrts- und Pilgerorten. Diese Heiligtümer lagen auf den Pilgerwegen zu den großen Pilgerstätten, wie Rom oder Santiago de Compostela.
Pilgern in der Epoche der Reformation und der Zeit danach
In der Reformationszeit erlebte das Pilgern einen Niedergang. Obwohl dies auch in weiterhin katholischen Gebieten der Fall war, dürfte einer der Hauptgründe für den Rückgang in der reformatorischen Auffassung zu suchen sein, in der das Pilgern als unchristliche Praxis abgelehnt und gebrandmarkt wurde. Vor allem in den Gebieten, in denen sich die Reformation durchgesetzt hatte, verschwanden daher zahlreiche Wallfahrtsorte oder wurden von der dortigen Obrigkeit aufgelöst.
In der nachtridentinischen Zeit lebte das Wallfahrtswesen in katholischen Gebieten dann wieder auf. Es wurde im Prozess der Konfessionalisierung von der katholischen Kirche gefördert und in bewusster Abgrenzung zu den protestanischen Glaubensgemeinschaften institutionalisiert. Im Zuge dessen bildeten sich lokale, oft aber auch für ein ganzes frühneuzeitliches Territorium bedeutsame und vor allem marianisch geprägte Wallfahrtsorte, wie z. B. Altötting oder Kevelaer, aus oder wurden wiederbelebt.
Nach einem erneuten Niedergang im 18. Jahrhundert, der durch die Aufklärung und ihre Ablehnung der Volksfrömmigkeit bedingt war, erlebte das Wallfahrtswesen im 19. Jahrhundert einen beispiellosen Aufschwung. Neben der sich stetig verbessernden Infrastruktur liegt der Grund für diese Entwicklung auch in einer erneuten Konsolidierung der Identität des Katholizismus in Abgrenzung zum Protestantismus sowie in einer im Zuge der Romantik neu entdeckten Volksfrömmigkeit.
Pilgern heute
Das Pilgern ist kein rein historisches Phänomen, sondern erfreut sich gerade in jüngerer Zeit wieder wachsender Beliebtheit. Traditionelle Wallfahrtsmotive, wie Buße, ein Gelübde oder Weihe- und Andachtsgaben, treten dabei jedoch zunehmend in den Hintergrund, zugunsten neuerer Motive, wie etwa der Ökumene, des Bildes des pilgernden Gottesvolks oder von Pilgerfahrten zu bestimmten Persönlichkeiten und Orten. Unter ökumenischen Gesichtspunkten erweist sich das Pilgern heute als konfessionsübergreifendes Phänomen, das die einstigen Differenzen zwischen den christlichen Glaubensgemeinschaften zunehmend zu überwinden scheint.
Mit dem Verlust der traditionellen Pilgermotive gewinnt das Pilgern aber zunehmend auch eine säkulare Prägung. Die Übergänge zum bloßen Massentourismus sind an den internationalen Wallfahrtsorten fließend und beim klassischen Fußpilgern, vor allem auf dem Jakobsweg, tritt verstärkt die sportlich-gesundheitliche Komponente in den Vordergrund. Im Sinne der Pflege einer Erinnerungs- und Gedenkstättenkultur sind in jüngerer Zeit auch moderne Stätten des Gedenkens das Ziel von Pilgerfahrten.
Pilgern in der Erzdiözese München und Freising
- Weitere Informationen zum Pilgern in der Erzdiözese München und Freising gibt es hier.
- Pilgerwege 'Biodiversität und Schöpfungsspiritualität' im Landkreis Garmisch-Partenkirchen
- Weitere spirituelle Angebote der Erzdiözese München und Freising finden Sie hier.
- Angebote der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern zum Thema „Pilgern“ finden Sie hier.
Literatur
- Albus, Stefan: Jakobsweg – und dann?: Was Pilgern mit Menschen macht, Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2016.
- Amt für Öffentlichkeitsdienst der Nordkirche in Zusammenarbeit mit dem Gemeindedienst der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche und dem Pilgerpastor an der Hauptkirche St. Jacobi, Hamburg (Hg.): Auf und werde – Der geistliche Begleiter für Pilgerwege, Lutherische Verlagsgesellschaft, Kiel 2009.
- Breitenbach, Roland: Pilgern, Verlag Herder, Freiburg 2009.
- Drouve, Andreas (Hg.): Der Pilgerstab: Gebete zum Jakobsweg, Tyrolia-Verlag, Innsbruck 2010.
- Feldkamp, Michael F.: Vom Jerusalempilger zum Grabesritter. Geschichte des Ritterordens vom Heiligen Grab, Heimbach/Eifel 2016.
- Ferstl, Franz: Mein Weg in deinen Händen. Pilgergebete, Tyrolia-Verlag, Innsbruck 2015.
- Heiser, Patrick; Kurrat, Christian: Pilgern gestern und heute. Soziologische Beiträge zur religiösen Praxis auf dem Jakobsweg, Lit-Verlag, Berlin/Münster 2012.
- Herbers, Klaus: Jakobsweg. Geschichte und Kultur einer Pilgerfahrt, Verlag C.H.Beck, 3. Aufl., München 2011.
- Joos, Raimund: Pilgern auf den Jakobswegen. Basiswissen für draußen, Conrad Stein Verlag, 9. Aufl., Welver 2017.
- Derselbe: Pilgern auf den Jakobswegen, Conrad Stein Verlag, 7. Aufl., Welver 2013.
- Derselbe: Warum der Schuh beim Gehen weiter wird. Der spirituelle Jakobsweg-Coach, 2. Aufl., Tyrolia, Innsbruck 2012.
- Kaminski, Michael: Pilgern mitten im Leben: Wie deine Seele laufen lernt, Verlag Herder, Freiburg 2016.
- Klaes, Norbert; Sedlmeier, Franz; Heinz, Andreas u. a.: Art. "Wallfahrt", in: Lexikon für Theologie und Kirche (LThK), Band 10, Freiburg 2001, 961-966.
- Klußmann, Andreas: In Gottes Namen fahren wir. Die spätmittelalterlichen Pilgerberichte von Felix Fabri, Bernhard von Breydenbach und Konrad Grünemberg im Vergleich, Universitätsverlag des Saarlandes/universaar, Saarbrücken 2012.
- Krüger, Oliver; Körting, Corinna; Sänger, Dieter u. a.: Art. „Wallfahrt/Wallfahrtswesen", in: Theologische Realenzyklopädie (TRE), Band 35, Berlin 2003, 408-435.
- Kurrat, Christian: Renaissance des Pilgertums. Zur biographischen Bedeutung des Pilgerns auf dem Jakobsweg, Lit-Verlag, Berlin/Münster 2015.
- Lienau, Detlef: Religion auf Reisen. Eine empirische Studie zur religiösen Erfahrung von Pilgern, Verlag Herder, Freiburg 2015.
- Derselbe: Sich fremd gehen. Warum Menschen pilgern. Grünewald, Ostfildern 2009.
- Löhndorf, Andrea: Anleitung zum Pilgern. Ein Lebensbegleiter, dtv Verlagsgesellschaft, München 2010.
- Matheus, Michael (Hg.): Pilger und Wallfahrtsstätten in Mittelalter und Neuzeit, in: Mainzer Vorträge, Nr. 4, Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2000.
- May, Christof: Pilgern. Menschsein auf dem Weg, in: Studien zur systematischen und spirituellen Theologie, Nr. 41, Verlag Echter, Würzburg 2004.
- Messner, Angelika C.; Hirschler, Konrad (Hg.): Heilige Orte in Asien und Afrika. Räume göttlicher Macht und menschlicher Verehrung, in: Asien und Afrika, Nr. 11, EB-Verlag, Schenefeld/Hamburg 2006.
- Reichert, Volker; Denke Andrea: Konrad Grünemberg – von Konstanz nach Jerusalem. Eine Pilgerfahrt zum Heiligen Grab im Jahre 1486, Wissenschaftliche Buchgesellschaft WBG, Lambert Schneider Verlag, Darmstadt 2015.
- Roloff, Eckart Klaus: Pilgern in neuer Auflage. Notizen zu einem Phänomen zwischen Tradition und Moderne, in: Communicatio Socialis, Heft 2/2008, S. 192–198.
- Schlüter, Christiane: Der innere Jakobsweg. Aufbrüche wagen, eigene Wege gehen, neue Ziele finden, Verlag Gräfe und Unzer, 3. Aufl., München 2015.
- Warkentin, Heide (Hg.): Pilgergebete. Gebete und Segenstexte zum Pilgern, Claudius-Verlag, 2. Aufl., München 2016.
- Winterberg, Philipp: Jakobsweg im Smoking. Auf dem Weg zur perfekten Packliste, CreateSpace.com (Self-Publishing-Plattform) 2013.
- Yates, Sybille: Pilgertipps & Packliste Jakobsweg. Was mit muss und was zu Hause bleiben kann, CreateSpace.com (Self-Publishing-Plattform) 2012.
Links
- Mehr Informationen zum Thema „Pilgern“
- Grundsätzliches über das Pilgern
- Näheres zum Jakobsweg
- Praktische Tipps und Informationen zum Pilgern auf dem Jakobsweg
- Übersichtliche Zusammenstellung der verschiedenen Pilgerwege in Deutschland
- Unterwegs zu heiligen Orten: Bilder, Texte, Glossar und Quiz von BR2
Aktuelle Literaturempfehlungen
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