Abendland in Christenhand? (Münchner Bildungswerk)
Das Münchner Bildungswerk entwickelte die Themenreihe „Abendland in Christenhand? Deutschland und Europa auf Identitätssuche“, die die aktuelle Diskussion um eine christlich geprägte Leitkultur aufgriff. Die Veranstaltungen im Hansa-Haus München gingen auf die verschiedenen Teilaspekte ein, die mit dieser Thematik verbunden sind, informierten über die Hintergründe und beschäftigten sich mit den damit einhergehenden Fragestellungen.
Das Projekt wurde von der KEB München und Freising als Innovatives Projekt im Bildungsfeld der Theologischen Bildung gefördert. <events Name="Leitkultur" keyword="Leitkultur"> Aktuelle Veranstaltungen zum Thema „Leitkultur“</events>
Hintergrund
Deutschland und Europa befinden sich im Umbruch. In vielen Ländern der EU ist ein Aufschwung euroskeptischer und populistischer Parteien und Bewegungen mit meist rechtsnationalen Zielsetzungen zu beobachten. In diesem Kontext werden erneut Fragen virulent, die schon bedeutungslos geworden zu sein schienen: Wie hängen Christentum und Europa zusammen? Gibt es DAS christliche Abendland überhaupt? Wer benützt mit welchen Intentionen diesen Begriff? Was macht das Christliche in unserer Gesellschaft aus und wie gestaltet sich Christsein auch gesellschaftspolitisch, zwischen rechter Hetze und linkem Radikalismus?
Neben einem großen Bedarf an objektiver Information und sachlicher Auseinandersetzung mit diesem Thema scheint auch die Bereitstellung von Gesprächs- und Dialogräumen für daran Interessierte von Nöten – und dies nicht zuletzt auch im Zuge einer kirchlichen Demokratiebildung und –arbeit. Denn in einer Gesellschaft, die zusehends von Existenzängsten, diffusen Vorurteilen und dem Glauben an „alternative Fakten“ geprägt ist, sind auch im kirchlichen Bereich solche Foren notwendiger denn je. Hier wollte die Themenreihe „Abendland in Christenhand?“ mit einer Kombination von politischem Diskurs, theologischer Stellungnahme und gesellschaftlichem Dialog ansetzen. Dies geschah nicht zuletzt auch aus dem aktuellen Anlass der bevorstehenden bayerischen Landtagswahl 2018.
Konzept und Methodik
Im Rahmen von vier Veranstaltungen wurde die politische Dimension des Themenkomplexes „Christentum und Abendland“ aus unterschiedlichen Perspektiven untersucht und diskutiert. Dabei standen folgende Aspekte im Vordergrund:
1. Information: In den Vorträgen und Workshops sollte ein spezifisches Fach- und Faktenwissen zu themenrelevanten Schlagworten („christliches Abendland“, „Rechtspopulismus“, „Rechtsextremismus“, „religiöser Fundamentalismus“ u. A.) erschlossen werden.
2. Diskussion und Begegnung: Die Veranstaltungen sollten genügend Raum zum Austausch und zur aktiven Teilnahme und Diskussion unter den TeilnehmerInnen bieten, um bei dem/der Einzelnen einen politischen Meinungsbildungsprozess anzustoßen. Hier lautete das Stichwort „Meinungs- und Diskussionsforum“.
3. Praxis und Bezug zur Lebenswelt: An konkreten Beispielen aus dem aktuellen gesellschaftlichen Leben sollten die Relevanz und Brisanz des Themas sichtbar gemacht werden. Hierzu dienten die im Rahmen der Reihe durchgeführten Autorenlesungen wie auch die Podiumsdiskussion mit Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens aus den vier Bereichen Politik, Kirche, Kultur und Wissenschaft.
Aus diesen Überlegungen wurden folgende Themenfelder abgeleitet:
- Ehrenamtliches Engagement mit Geflüchteten – Ein Blick in die kirchliche Praxis (Praxisbeispiel)
- Die Frage nach der politischen Dimension von Christentum. Was ist und bedeutet „christlich“? (Information und Austausch)
- Radikalisierung am rechten Rand: Was ist christlich an der AfD und anderen rechten Parteien? (Workshop und Austausch)
- Rassismus hinter Kirchenmauern? – Der ehemalige Zornedinger Pfarrer berichtet von seinen Erfahrungen (Praxisbeispiel)
- Das Abendland – Historische Vergewisserung und Erkundung (Information)
- Podiumsdiskussion zum Thema „Leitkultur und Abendland“ (Austausch und Begegnung)
- Die Frage nach der Zukunft der Kirche(n) in einer sich polarisierenden Gesellschaft: Abschlussgespräch mit dem Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern und Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland, Dr. Heinrich Bedford-Strohm (Austausch und Begegnung)
Die einzelnen Veranstaltungen sind im Folder der Themenreihe einzusehen.
Projektziel
Ziel der Veranstaltungsreihe war die Sensibilisierung von ChristInnen gegenüber der politischen Agenda neuer rechter Parteien und rechtsnationaler Propaganda sowie die Förderung der Mündigkeit und Sprachfähigkeit im gegenwärtigen gesellschaftspolitischen Diskurs zum Thema „christliches Abendland“ und zu Fragen von Flucht und Asyl sowie der Leitkulturdebatte. Darüber hinaus sollte auch die in Politik und Gesellschaft hineinwirkende Dimension des christlichen Glaubens deutlich werden.
Das Anliegen der Initiatoren, Interessierte durch die Bereitstellung von Informationen und Austauschmöglichkeiten dazu zu befähigen, hinsichtlich der aktuellen Herausforderungen mündige ChristInnen und StaatsbürgerInnen zu werden, bleibt ein Auftrag, den die kirchliche Bildungslandschaft gerade im Hinblick auf die aktuellen Zeichen der Zeit mit in die Zukunft nehmen muss. Nur so kann auch in einem zunehmend populistischer werdenden Gesellschaftsdiskurs jeder einzelne Christ Stellung zu den aktuellen Diskursen beziehen und so zu einer positiven Meinungsbildung mit christlichem Ethos beitragen.
Zielgruppe
Zielgruppe des Projekts waren alle an Politik, Theologie, Gesellschaft und Ethik Interessierten jeglicher Altersgruppe sowie interessierte ChristInnen, die im gegenwärtigen gesellschaftspolitischen Diskurs nach neuen Impulsen und Orientierung suchen.
Innovation
Die innovative Ausrichtung der Veranstaltungsreihe ergab sich nicht zuletzt auch durch das Aufgreifen gesellschaftlich „heißer Eisen“ gerade im Vorfeld der bayerischen Landtagswahl 2018: Es ging dabei um die Auseinandersetzung mit der Neuen Rechten und deren Vorstellung von einem national geprägten (Kultur-)Christentum. Damit verbunden war zwangsläufig die Problematisierung der aktuellen Leitkulturdebatte aus christlicher Sicht. Diese Themen waren in einem offenen Austausch- und Informationsraum zu diskutieren, und zwar im interdisziplinären Diskurs von Kultur, Politik, Kirche und Theologie. Auf diese Weise sollten auch kirchenferne oder -distanzierte Personen eine Möglichkeit zur Auseinandersetzung mit der gesellschaftspolitischen Dimension des christlichen Glaubens erhalten. Die workshopartigen Vorträge ebenso wie die abschließende Podiumsdiskussion mit namhaften Diskutanten, wie z. B. Christian Stückl und weiteren Vertretern aus Politik, Kirche und Theologie, sollten die TeilnehmerInnen im Vorfeld der anstehenden Landtagswahlen zu einer weitergehenden Reflexion anregen. Dieser multidimensionale Ansatz verband somit in neuartiger Weise politische und theologische Bildung und bot darüber hinaus die Chance, durch das gegebene Thema und Format auch eher Kirchendistanzierte und/oder ein jüngeres Zielpublikum anzusprechen.
Evaluation
Eine Evaluation des Projekts erfolgte in Form von Auswertungstreffen mit den RefererentInnen sowie eines Kurzfragebogens für die TeilnehmerInnen.
Kooperationspartner
Als Kooperationspartner konnte die KKV Hansa e.V. – Katholiken in Wirtschaft und Verwaltung gewonnen werden.
Nachhaltigkeit und Übertragbarkeit
Hinsichtlich der Aspekte der Nachhaltigkeit und Übertragbarkeit zeichnet sich die Veranstaltungsreihe durch folgende Punkte aus:
- Sie ist aufgrund ihrer Konzeption sehr gut für die Gewinnung von neuen TeilnehmerInnen geeignet.
- Sie bietet die Möglichkeit der thematischen Weiterentwicklung, entweder in eine regionalpolitische oder auch eine europäisch-globale Richtung. Möglicherweise könnte dies auch mit neuen Kooperationspartnern, wie etwa der Europa-Union, oder anderen gesellschaftspolitisch relevanten Gruppen geschehen.
- Die Veranstaltungsreihe ist auch sehr gut für eine Fortsetzung in Form von möglichen weiteren Themenabenden oder Exkursionen (z. B. KZ-Dachau, Landeszentrale für politische Bildung etc.) geeignet.
- Sie ist zudem auch auf andere Bildungswerke übertragbar, um so den gesellschaftspolitischen Diskurs um die Verortung spezifisch christlicher Standpunkte in die Fläche der Pfarrgemeinden zu tragen.
Resümee
Die Anzahl der TeilnehmerInnen erwies sich als äußerst zufriedenstellend. Es nahmen Personen aus den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Gruppierungen und mit den unterschiedlichsten Weltanschauungen teil. Dazu gehörten kirchlich engagierten Laien ebenso wie kirchendistanzierte BildungsbürgerInnen oder kommunale Parteifunktionäre aus dem gesamten politischen Spektrum. Dieses bunte Milieu begünstigte eine tatsächlich diskursive Auseinandersetzung mit den erwähnten Themen. Der teilweise freie bzw. niedrige Eintrittspreis (zur Podiumsdiskussion) ermutigte zudem auch sozial Schwächere, die Themenabende zu besuchen, was aus pastoraler und sozialethischer Sicht durchaus einen wertvollen Beitrag zur Ermöglichung von sozialer wie religiöser Teilhabe darstellt. Auch medial erhielt die Veranstaltungsreihe ein beachtliches Echo. So wurde neben einem Kurzbericht in der Lokalpresse auch eine Radioreportage auf Bayern 5 ausgestrahlt. Den Podcast zu dieser Sendung finden Sie hier.
Kontakt
Münchner Bildungswerk – Katholische Erwachsenenbildung in der Stadt und im Landkreis München e.V.
Benedikt Löw