Erinnerungskultur
„Erinnerungskultur“<events Name="Gedenkstättenarbeit" keyword="KZ-Gedenkstätte Gedenkstättenarbeit"> Bildungsveranstaltungen im Bereich „Erinnern und Gedenken“</events> ist ein Begriff aus den Kulturwissenschaften, der die kulturellen und kulturspezifischen Formen von Erinnerung und Gedächtnis umfasst. Ein ganz wesentlicher Bestandteil der Erinnerungskultur ist die Ausbildung und Entwicklung individueller und kollektiver Identitäten. Eine wichtige Bedeutung in der deutschsprachigen Forschung kommt in diesem Zusammenhang den Arbeiten von Jan und Aleida Assmann zu, die den für das Konzept der Erinnerungskultur zentralen Begriff des „kulturellen Gedächtnisses“ entwickelt haben.
Begriffsbedeutung
Ganz allgemein wird unter Erinnerungskultur der kulturelle Tradierungs- und Vermittlungsprozess verstanden, in dessen Rahmen Gesellschaften mittels bestimmter Medien Erinnerung an Vergangenes überliefern.
Dieser Umgang mit Ereignissen der Vergangenheit geschieht sowohl auf persönlich-biografischer als auch auf kollektiv-gesellschaftlicher Ebene. Je nach ihrer Art und Tradierung kann die so geformte Erinnerung dabei auch eine identitätsstiftende bzw. das Selbstverständnis der jeweiligen Person oder Gesellschaft formende Funktion haben.
Auf kollektiv-gesellschaftlicher Ebene lassen sich in diesem Zusammenhang grundsätzlich zwei Typen von Gesellschaften unterscheiden: einerseits Gesellschaften, die die Wirksamkeit von Geschichte in ihren Strukturen negieren und Vergangenes vergessen machen wollen, und andererseits Gesellschaften, die in der Rezeption und Aufarbeitung der Vergangenheit einen möglichen Anreiz für die gesellschaftliche Entwicklung sehen.
Dabei ist zu bedenken, dass das individuelle und kollektive Erinnern keine einfache Annäherung an eine ontologisch verstandene Vergangenheit oder gar Vergegenwärtigung von vermeintlichen „historischen Fakten“ ist, sondern vielmehr ein komplexer, teils in sich widersprüchlicher Vorgang der interpretierenden Rekonstruktion von Vergangenem aus dem jeweiligen historischen/aktuellen und gesellschaftlichen Erkenntnishorizont bzw. der jeweiligen individuellen Perspektive heraus. Dass dadurch ein ganzes Kaleiodoskop von unterschiedlichen Erinnerungskulturen bzw. Vergangenheitsinterpretationen entsteht, die zudem ständigen zeitbedingten Veränderungen unterworfen sind, muss bei der Diskussion um den Begriff „Erinnerungskultur“ stets berücksichtigt werden.
Einen wichtigen Bestandteil der Erinnerungskultur bzw. der Beschäftigung mit der Vergangenheit in der Erzdiözese München und Freising stellt die Erinnerungs- und Gedenkstättenarbeit dar, die sich u. a. mit den Erinnerungsorten im Erzbistum beschäftigt.
Hörbeiträge
- Hörbeitrag zum Thema „Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus: Welche Erinnerungskultur braucht Deutschland?“als BR-Podcast
- Hörbeitrag zum Thema „Debatte über einen neuen Umgang mit dem Holocaust. Gedenken ist nicht gleich Erinnern“ auf Deutschlandfunk Kultur
Literatur
- Artikel „Erinnerungskultur“, in: Brockhaus Enzyklopädie, 21. Aufl., Bd. 8, Mannheim 2006, S. 287–290.
- Assmann, Aleida: Der lange Schatten der Vergangenheit. Erinnerungskultur und Geschichtspolitik, München 2006.
- Assmann, Aleida: Erinnerungsräume. Formen und Wandlungen des kulturellen Gedächtnisses, München 1999.
- Assmann, Aleida: Arbeit am nationalen Gedächtnis. Eine kurze Geschichte der deutschen Bildungsidee, Frankfurt am Main u. a. 1993.
- Battke, Kathleen: Trümmerkindheit. Erinnerungsarbeit und biografisches Schreiben für Kriegskinder und Kriegsenkel, München 2013.
- Gerhardus, Sabine; Mensing, Björn (Hg.): Namen statt Nummern. Dachauer Lebensbilder und Erinnerungsarbeit, Leipzig 2007.
- Gstettner, Peter: Bevor die Glut verlöscht. Die Erinnerungsarbeit an NS-Tatorten als ein politisches Lernprojekt, in: Beutler, Kurt u. a. (Hg.): Jahrbuch für Pädagogik 2003. Erinnern – Bildung – Identität, Frankfurt am Main 2003, S. 305–325.
- Nolz, Bernhard; Popp, Wolfgang (Hg.): Erinnerungsarbeit. Grundlage einer Kultur des Friedens, Münster 2000.
- Ruppert, Wolfgang (Hg.): Erinnerungsarbeit. Geschichte und demokratische Identität in Deutschland, Opladen 1982.
- Schulze, Theodor: Kriegsende 1945 – Erinnerungsarbeit in einer Schreibwerkstatt. Zum Verhältnis von individueller Erinnerung und kollektivem Gedenken, in: Dörr, Margret u. a. (Hg.): Erinnerung – Reflexion – Geschichte. Erinnerung aus psychoanalytischer und biographietheoretischer Perspektive, Wiesbaden 2008, S. 213–227.
- Widmaier, Benedikt; Steffens, Gerd (Hg.): Politische Bildung nach Auschwitz. Erinnerungsarbeit und Erinnerungskultur heute, Schwalbach 2015.
Aktuelle Literaturempfehlungen
Ausgewählte Literatur zum Thema finden Sie im Online-Shop des Sankt Michaelsbundes unter www.michaelsbund.de
Links
- Weitere Informationen zum Thema „Erinnerungskultur“ auf Wikipedia
- Näheres zum Thema „Erinnerungskultur“ auf der Website der Bundeszentrale für politische Bildung
- Stichwort „Erinnerungskultur“ auf der Website der Konrad-Adenauer-Stiftung
- Arbeitshilfen zum Thema „Erinnerungskultur und Friedensarbeit“ auf der Website der Deutschen Bischofskonferenz (Kostenloser Download möglich)
Referenten und Kompetenzträger
Ludwig Schmidinger
Simone Malaguti