Kirche und Digitalisierung
In den Prozess der Digitalisierung<events keyword="Digitalisierung und Kirche">Veranstaltungen zum Thema „Digitalisierung und Kirche“</events>, der sich in allen wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Bereichen vollzieht, ist auch die Kirche eingebunden. Mit dem Fortschreiten dieses Prozesses ist sie nun immer mehr dazu aufgerufen, die Chancen und Potenziale der Digitalisierung, aber auch ihre Nachteile und Gefahren zu thematisieren. Dasselbe gilt für die Fachdisziplin der Theologie. Wie viele andere Bereiche und Wissenschaften, sieht sich auch Letztere mit den Entwicklungen der Digitalisierung konfrontiert. Diese Entwicklungen, die in theologischer Hinsicht als Zeichen der Zeit verstanden werden können, bergen Chancen für die Theologie, müssen jedoch auch kritisch hinterfragt werden. Daher ist es essenziell, dass sich die Kirche an der Diskussion um die ethischen Implikationen von Digitalisierung und künstlicher Intelligenz beteiligt.
Sozialität und Gemeinschaft im digitalen Raum
Die Identität und Sozialität werden im Zuge der Digitalisierung zunehmend in den digitalen Raum übertragen. Wie Online-Gruppen zur Trauerbegleitung und ähnliche Angebote zeigen, betrifft dies auch soziale Vollzüge, wie etwa die Bildung von Gemeinschaften oder die Kontaktsuche bei Lebenseinschnitten. Weil die Menschen so zunehmend auch existenzielle Fragen in den digitalen Raum tragen, muss die Kirche diese Fragen auch dort aufgreifen und beantworten. Durch ihre Präsenz im digitalen Raum kommt die Kirche zudem auf eine neue Art und Weise mit Themen der offenen Gesellschaft, wie Demokratie und Pluralität, in Berührung. Dies gilt insbesondere für Kirchengemeinden im digitalen Raum. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass sich christliche Gruppierungen im digitalen Netz netzstrukturell bilden und damit das klassische territoriale Modell der Gemeindebildung umgehen. Die Kirchengemeinde entsteht dadurch nicht mehr aus den Menschen, die an einem Ort wohnen, sondern aus den Menschen, die die gleichen Fragen, Probleme oder religiösen Ansichten teilen. Hierbei spielt auch die wesentlich geringere Verbindlichkeit und die Möglichkeit der Anonymität in den digitalen Gemeinschaften eine wichtige Rolle.
Um diesen Entwicklungen gerecht werden zu können, bedarf es einerseits einer erhöhten Präsenz der Kirche im digitalen Raum. Die kirchliche Digitalisierung und Präsenz im Netz kann jedoch nicht durch strukturelle und monetäre Einsätze allein gelingen, sondern braucht auch charismatische Personen, die durch ihr Beispiel und ihre Erfahrungen die Kirche im Internet prägen. Die digitale Welt des Internets und die reale, analoge Welt bleiben jedoch andererseits zwei unterschiedliche Bereiche, die trotz vielfacher Überschneidungen nicht restlos deckungsgleich sind. Daher ist es – ungeachtet aller Digitalisierung und Verlagerung von Kommunikation und Sozialem in den digitalen Raum – an der Kirche, zu verdeutlichen, dass sich der Mensch nicht im Digitalen verlieren darf und immer auf sein Menschsein verwiesen ist.
Kirchlicher Vollzug und Digitalisierung
Die Digitalisierung betrifft alle Bereiche der Kirche, wie Verwaltung, Verkündigung, Katechese, Diakonie etc. Der vormals rein analog stattfindende kirchliche Vollzug verlagert sich zunehmend in den digitalen Bereich. Obwohl die Kirche im digitalen Raum von der real-physischen Ortskirche zu unterscheiden ist, sind beide doch eng miteinander verbunden und lassen sich letztlich nicht voneinander trennen. Beide Bereiche, der digitale sowie der analoge, sollten ineinander übergehen, um ein Wechseln vom einen zum anderen Bereich leichter zu machen. Denn auch wenn es unerlässlich ist, dass sich die Kirche mehr in den digitalen Raum begibt und ihr Angebot dort vergößert, um die Menschen zu erreichen, ist es wichtig, zu verdeutlichen, dass wesentliche Vollzüge der Kirche nicht völlig und dauerhaft digitalisiert werden können und sollen. Hier sind vor allem Aspekte der Solidarität, der physischen Gemeinschaft und der Liturgie bzw. die Sakramentenspendung zu nennen. Das digitale Angebot der Kirche soll und kann das analoge Angebot nicht ersetzen, sondern nur ergänzen. Daher müssen das digitale und das analoge Angebot miteinander verbunden werden, um den Übergang zwischen beidem zu erleichtern. Darüber hinaus ist es wichtig, dass die Kirche die Schattenseiten der Digitalisierung benennt. Hierzu zählen u. a. die Angst vor dem oder der tatsächliche Arbeitsplatzverlust durch KI, Cybermobbing, Hasskommentare und Hassposts. Mit einer angemessenen digitalen Präsenz kann es der Kirche so gelingen, an dem ethischen Diskurs über die Digitalisierung zu partizipieren und zu einer differenzierten Bewertung der Entwicklungen zu kommen.
Literatur
- Charbonnier, Ralph: Digitalisierung: Theologische Selbstklärung und Gegenwartsinterpretationen. Eine Skizze, in: Zeitschrift für Pädagogik und Theologie, Bd. 70, 2018, H. 3, S. 238–250.
- Deeg, Alexander; Lehnert, Christian (Hg.): Liturgie – Körper – Medien. Herausforderungen für den Gottesdienst in der digitalen Gesellschaft, Leipzig 2019.
- Lederhilger, Severin J. (Hg.): Gott und die digitale Revolution, Regensburg 2019.
- Merle, Kristin: Religion in der Öffentlichkeit. Digitalisierung als Herausforderung für kirchliche Kommunikationskulturen, Berlin 2019.
Links
- Fucker, Selina: „... meine Füße auf digitalen Raum!“ (I). Einblicke in die digitale Kirche. Vortrag auf dem Studientag „Kirche und Digitalisierung“ der Fachschaft der Theologischen Fakultät der Universität Heidelberg, in: InFoDiTex. Interdisciplinary Forum of Digital Textual Sciences. Junior Research Infrastructure.
- Karcher, Stefan: „... meine Füße auf digitalen Raum!“ (II). Grundfragen einer digitalen Theologie. Vortrag auf dem Studientag „Kirche und Digitalisierung“ der Fachschaft der Theologischen Fakultät der Universität Heidelberg, in: InFoDiTex. Interdisciplinary Forum of Digital Textual Sciences. Junior Research Infrastructure.
- Mertin, Andreas: Was „Digitalisierung“ in der Kirche nicht heißen kann. Kursorische Notizen, in: Tà katoptrizómena. Das Magazin für Kunst – Kultur – Theologie – Ästhetik, H. 112, 2018.
- Redaktion Feinschwarz: Artikel „#theodigital: Theologie im Terrain des Digitalen“, in: feinschwarz.net. Theologisches Feuilleton v. 26.11.2018.
Aktuelle Literaturempfehlungen
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